Reisen
Ein Interview mit Meeresschutzbiologin Silvia Frey - Mitgründerin von KYMA.
Mit KYMA die Bedeutung von Meeresschutz begreifen & erleben.
Eigentlich wäre ich dieses Jahr fast auf einem Segelboot von KYMA gelandet und hätte bei wissenschaftlichen Recherchen mitgeholfen und mehr über unsere Ozeane und dessen Bewohner*innen gelernt. Leider war alles ein wenig kurzfristig und Corona macht Planen zurzeit nicht gerade einfacher.
Weil ich aber die Projekte von KYMA unglaublich spannend finde und dann hoffentlich im nächsten Jahr in See steche, möchte ich hier bereits einmal mit dir in die Welt von Meeresschutzbiologin Silvia eintauchen und gemeinsam mit dir herausfinden, was sie so macht, was sie antreibt und wie der Zustand unserer Meere aktuell aussieht:
Liebe Silvia, du bist die Gründerin von KYMA. Magst du etwas über deinen Werdegang und die Entstehungsgeschichte von KYMA erzählen?
Die Idee, KYMA zu gründen, ist zwar von mir, doch effektiv gegründet haben wir die Organisation zu fünft. Ich habe mich über 20 Jahre im Meeresschutz und in der Meeresforschung engagiert. In dieser Zeit hat sich der Zustand der Meere leider nicht verbessert, sondern verschlechtert.
Es ist meine tiefe Überzeugung, dass es nicht zu viele Organisationen geben kann, die sich um den Schutz der Meere kümmern, denn jede Organisation spricht spezifische Zielgruppen von Menschen an und hat individuelle Themenschwerpunkte. In der Kernbotschaft sind wir vereint: Ein verbesserter Schutz der Meere und ihrer Bewohner*innen. Mit KYMA wollen wir unseren Beitrag leisten.
Wieso braucht es KYMA? Was ist das Hauptziel von KYMA?
KYMA fokussiert auf Bildung und anwendungsorientierte Meeresforschung. Denn einerseits ist unser Konsumverhalten für die allermeisten Probleme in den Ozeanen verantwortlich und andererseits müssen die Kenntnisse über bestehende Tierpopulationen und ihren Lebensraum kontinuierlich verbessert und deren Entwicklung beobachtet werden.
Ohne diese Forschungsgrundlagen können Schutzmassnahmen nicht adäquat formuliert, gefordert und umgesetzt werden. Und ohne eine wesentliche Änderung unseres Konsumverhaltens (was letztlich einem Systemwandel entspricht) in verschiedenen Bereichen lassen sich die Probleme in den Meeren nicht lösen.
Die Arbeit von KYMA kann auch hautnah miterlebt werden. Ihr bietet die Teilnahme an Expeditionen an. Wie kann man sich das vorstellen?
Die KYMA Forschungsexpeditionen bieten 6-7 interessierten Personen, egal ob Lai*innen oder Expert*innen, die Möglichkeit, wochenweise mit uns auf dem Meer die Verbreitung von Delfinen, Walen, Meeresschildkröten, Haien, Schwert- und Thunfischen zu untersuchen und zu dokumentieren. Sie lernen, wie diese Datenaufnahme systematisch erfolgt und auch, wie sich das Leben der Tiere gestaltet. Wir dokumentieren auch den Zustand des Meeres anhand der Verschmutzung mit Plastik.
Das Projekt dient der Forschung aber auch der Umweltbildung und bietet zudem die Möglichkeit, Ferien auf einem Segelschiff zu verbringen. Jede Woche ist anders und die Teilnehmenden erleben während der Zeit an Bord aussergewöhnlich schöne aber auch denkwürdige Momente.
Das Konzept des Volunteerings bietet allen nur Vorteile: Uns als Organisation ermöglicht es die Durchführung des Forschungprojektes und den Teilnehmenden bietet es unvergessliche und lehrreiche Momente auf See.
Wie erlebst du den Zustand des Planeten ganz allgemein? Was ist deine Prognose für die Zukunft?
Wir leben in einer Zeit mit unglaublich vielen Umweltproblemen, die sich sehr sicht- und erfahrbar manifestieren. Dies zu Land als auch zu Wasser. Die Gesundheit unseres Planeten und seiner Lebewesen ist stark angeschlagen und damit auch die unsere. In den letzten 50 Jahren sind die Grössen von Wildtierpopulationen weltweit um durchschnittlich 68% gesunken – das ist dramatisch und ist insbesondere auf die Zerstörung des Lebensraums und Übernutzung durch uns zurückzuführen. Dies zusammen mit den vielen Zeichen der Klimaveränderung zeigt, dass es effektiv fünf vor zwölf ist.
Ich tue mich schwer mit Prognosen, doch die Fakten liegen klar auf dem Tisch: Wir müssen unsere Lebens- und Wirtschaftsweise grundlegend ändern, damit wir die noch bestehenden Lebensräume und Arten sowie unsere eigenen
Lebensgrundlagen nicht nur retten, sondern auch revitalisieren können. Ich bin überzeugt, dass dies möglich ist, wenngleich der Weg ein schwieriger ist.
Was kann jede und jeder tun, um Meere zu schützen?
Die Meere bestimmen das Leben auf dem ganzen Planeten. Insofern fängt das Meer überall an und genauso verhält es sich mit dem, was wir für den Schutz der Meere tun können. Wer kann, sollte auf den Konsum von Meerestieren verzichten –
ansonsten werden wir die Meere leerfischen. Auch der Verschmutzung der Meere kann jede Person entgegenwirken: Einwegplastik sollte aus unserem Alltag verschwinden und der Konsum von fossilen Energieträgern der Vergangenheit
angehören.
Hier kann jede einzelne Person eine Wahl treffen und entsprechend handeln. Zudem kann sich jede einzelne Person dafür einsetzen, dass auf politischer Ebene entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Wählen ist kein Muss, es ist ein Recht und nur wer nichts tut und sich nicht beteiligt, hat keinen Einfluss.
Was sind die grössten Herausforderungen / Probleme in unseren Meeren?
Die Meere und ihre Bewohner*innen sind einer Vielzahl von Gefährdungen ausgesetzt. Sehr problematisch sind die industrielle Fischerei, die Verschmutzung mit Chemikalien, Plastik und Lärm und die Auswirkungen des Klimawandels. All diese Probleme führen zur Zerstörung von marinen Lebensräumen und der Artenvielfalt.
Du setzt dich auch sonst für wichtige Themen ein - magst du ein wenig erzählen, wo du auch sonst noch aktiv bist?
Tier-, Arten- und Umweltschutz bestimmen mein Leben, sie machen mich aus. Es geht um Respekt den Mitlebewesen gegenüber und um die Frage, wie wir alle gemeinsam in Würde auf dieser Erde leben können. Anrecht darauf haben alle
Lebewesen gleichermassen, nicht nur wir Menschen. In diesem Sinne setze ich mich für den Meeres(tier)schutz aber auch für den Schutz von Landtieren und Lebensräumen ein. Nebst meiner Tätigkeit als Meeresschutzbiologin engagiere ich
mich beruflich auch für den Ersatz von Tierversuchen durch humanrelevante, tierfreie Forschungsmethoden.
Wie muss man sich deine wissenschaftliche Arbeit genau vorstellen?
Meine wissenschaftliche Arbeit ist anwendungsorientiert, das heisst, ich sammle Forschungsdaten, die danach einer konkreten Umsetzung von Massnahmen dienen können. Die Datenerfassung erfolgt auf dem Meer, danach müssen diese Daten verarbeitet und analysiert werden. Sobald die Datengrundlage ausreichend ist, um gesicherte Aussagen machen zu können, werden diese publiziert, damit andere Forschende aber auch auf politischer Ebene aktive Entitäten diese nutzen können.
Zum Beispiel: Sobald wir robuste Datenreihen gesammelt haben, das heisst sowohl hinsichtlich der Tiersichtungen als auch über die Zeit, können wir eine Aussage darüber machen, wie sich eine bestimmte Tierpopulation entwickelt und bestenfalls auch zeigen, was die Gründe dafür sind und was notwendige Massnahmen wären. Ich verbringe also einen Teil meiner Arbeitszeit auf See, einen grossen Teil jedoch auch am Computer.
KYMA sea conservation vereinigt innovative Menschen aus verschiedenen Disziplinen wie Wissenschaft, Medien, Ethik und Kommunikation, die sich gemeinsam für den Schutz der Ökologie der Meere einsetzen. KYMA ist auch ein Think Tank, um die riesige Herausforderung, die der Schutz der Meere im 21. Jahrhundert darstellt, mit kreativen und konkreten Mitteln voranzubringen. Dazu gehören Projekte und die Information der Öffentlichkeit. KYMA lädt zudem interessierte Personen ein, ihre klugen Ideen für Projekte oder Abschlussarbeiten einzubringen und bietet Unterstützung, um diese voranzubringen.
Möchtest auch du einen Teil von KYMA werden oder hast du Fragen oder Anregungen? Du kannst dich jederzeit an Silvia Frey oder das KYMA-Team wenden unter info@kyma-sea.org. Und wenn du gleich jetzt eine Mitgliedschaft lösen – oder dir bereits jetzt einen der heissbegehrten Plätze für die Expeditionen im kommenden Jahr sichern möchtest - findest du alle Infos auf der Website: https://kyma-sea.org/
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Kampagnenbilder by Samuel Meier Photography
restliche Bilder by KYMA, Silvia Frey & Robert Wittmer